Die steigenden Rohstoffpreise, Energiekrisen und Lieferengpässe haben auch im Handwerk ihre Spuren hinterlassen. Viele Betriebe stehen vor der Frage: Dürfen wir die gestiegenen Materialpreise nachträglich an unsere Kunden weitergeben?
Die Antwort darauf ist komplex – und hängt stark von den vertraglichen Vereinbarungen, dem Zeitpunkt der Preiserhöhung und der Art des Projekts ab. In diesem Artikel klären wir praxisnah, was rechtlich möglich ist, worauf Handwerksbetriebe achten sollten und wie sich zukünftige Preissteigerungen besser absichern lassen.
Grundlagen: Was ist mit “nachträglicher Materialpreiserhöhung” gemeint?
Unter einer nachträglichen Materialpreiserhöhung versteht man den Versuch, einen bereits vereinbarten Werklohn – also den Preis für eine Handwerkerleistung – im Nachhinein zu erhöhen, weil sich z. B. die Materialkosten während der Ausführung des Auftrags verteuert haben.
Besonders relevant ist dieses Thema bei länger laufenden Bauprojekten oder Rahmenverträgen, bei denen zwischen Angebot und tatsächlicher Ausführung mehrere Wochen oder Monate liegen.
Typische Gründe für Preissteigerungen im Handwerk:
- Verteuerung von Baustoffen (z. B. Holz, Stahl, Dämmmaterialien)
- Lieferschwierigkeiten und Wechsel auf teurere Ersatzmaterialien
- Energie- und Transportkostensteigerungen
- Inflationäre Tendenzen im Gesamtmarkt
Doch Vorsicht: Nicht jede Kostensteigerung berechtigt automatisch zu einer Preisanpassung – vor allem nicht ohne vertragliche Grundlage.
Rechtslage: Wann dürfen Handwerker die Preise erhöhen?
Ob eine nachträgliche Preisanpassung rechtlich zulässig ist, hängt von der vertraglichen Gestaltung ab. Hierbei kommt es darauf an, ob es sich um einen Pauschalpreisvertrag oder einen Einheitspreisvertrag handelt und ob Preisanpassungsklauseln (auch Preisgleitklauseln genannt) vereinbart wurden.
Überblick: Vertragsarten und Preisänderungsspielraum
Vertragsart | Preisänderung nachträglich möglich? | Besonderheiten |
---|---|---|
Pauschalpreisvertrag | Nur mit Preisanpassungsklausel | Festpreis, der nur bei außergewöhnlichen Umständen geändert werden kann |
Einheitspreisvertrag | Eingeschränkt möglich | Abrechnung nach tatsächlichem Aufwand möglich |
VOB/B-Vertrag | Ja, unter bestimmten Voraussetzungen | Bei wesentlichen Änderungen der Ausführung |
Werkvertrag ohne Regelung | Nein | Kunde kann auf vereinbarten Preis bestehen |
Fazit: Nur wenn im Vertrag Spielräume eingebaut wurden – z. B. durch Preisgleitklauseln oder die Vereinbarung der VOB/B – besteht eine realistische Möglichkeit, Materialpreiserhöhungen geltend zu machen.
Die Rolle von Preisgleitklauseln: Sicherheit für beide Seiten
Eine Preisgleitklausel ist eine vertragliche Vereinbarung, die es erlaubt, den Preis im Nachhinein an veränderte Rahmenbedingungen – etwa Materialkosten oder Lohnkosten – anzupassen. Solche Klauseln müssen transparent und klar formuliert sein, sonst sind sie unter Umständen unwirksam.
Was eine wirksame Preisgleitklausel enthalten sollte:
- Definition, welche Kostenbestandteile variabel sind (z. B. Holzpreis, Stahlpreis)
- Referenzwert (z. B. Preisstand bei Vertragsschluss)
- Schwellenwert (ab welchem Prozentsatz eine Anpassung greift)
- Berechnungsformel oder Indexbezug (z. B. Statistisches Bundesamt)
Tipp: Die Handwerkskammern und Fachverbände stellen häufig Musterformulierungen zur Verfügung, die rechtlich geprüft und praxistauglich sind.
VOB/B als Alternative: Was Bauhandwerker wissen sollten
Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/B) ist im gewerblichen Bauwesen weit verbreitet. Sie sieht unter § 2 Absatz 5 und 6 vor, dass bei wesentlichen Änderungen der vertraglich vereinbarten Leistungen auch eine Anpassung der Vergütung möglich ist – z. B. wenn ein anderes, teureres Material verwendet werden muss oder sich der Umfang der Leistungen ändert.
Wichtig: Die VOB/B muss ausdrücklich und wirksam vereinbart worden sein – am besten schriftlich im Vertrag. Ist das der Fall, können Handwerksbetriebe unter bestimmten Bedingungen Preisänderungen geltend machen.
Nachträgliche Preisanpassung ohne vertragliche Grundlage: Was tun?
Wenn keine Preisanpassungsklausel vereinbart wurde und der Kunde auf dem ursprünglichen Preis besteht, bleibt nur ein begrenzter Spielraum. In Ausnahmefällen können sich Handwerksbetriebe auf die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) berufen. Diese Regelung greift aber nur bei außergewöhnlichen, unvorhersehbaren Umständen – etwa einem plötzlichen Preissprung um 300 % bei einem Schlüsselmaterial.
Voraussetzungen für eine Preisanpassung über § 313 BGB:
- Unvorhersehbarkeit bei Vertragsabschluss
- Unzumutbarkeit der Vertragserfüllung zum ursprünglichen Preis
- Kein Ausschluss durch vertragliche Regelungen
In der Praxis ist diese Argumentation jedoch schwer durchzusetzen und mit rechtlichem Risiko verbunden.
Empfehlung: So sichern sich Handwerksbetriebe künftig besser ab
Damit Preissteigerungen nicht zur wirtschaftlichen Bedrohung werden, sollten Handwerksbetriebe präventiv handeln:
Unsere 5 Tipps für die Praxis:
- Angebote mit kurzer Bindefrist versehen (z. B. 14 Tage)
- Preisgleitklauseln bei größeren Projekten aufnehmen
- Materialeinkäufe frühzeitig tätigen und dokumentieren
- Verträge mit Kunden transparent gestalten und Risiken benennen
- Rechtliche Beratung bei komplexen Bauprojekten einholen
Fazit: Zwischen Recht, Praxis und Fairness
Nachträgliche Materialpreiserhöhungen im Handwerk sind kein einfaches Thema. Während viele Betriebe unter dem wirtschaftlichen Druck leiden, haben Kunden ein berechtigtes Interesse an Preissicherheit. Die Lösung liegt in einer fairen, transparenten und rechtlich sauberen Vertragsgestaltung, die Risiken auf beide Seiten verteilt.
Wer künftig auf klare Vertragsregelungen, kurze Angebotsfristen und eine professionelle Kommunikation setzt, wird in Zeiten schwankender Märkte besser aufgestellt sein – wirtschaftlich und rechtlich.